28.04.2007, 10:14
Hallo,
zum Glück gibt es noch zwei Instanzen. Leider ist diese Rechtsprechung nicht neu. Aber ein so krasser Fall ist mir noch nicht bekannt gewesen.
Ich versuche als Laie das Urteil zu erklären:
I Es gibt eine Verschuldens- und eine Gefährdungshaftung (auch Betriebsgefahr genannt)
a) Verschuldenshaftung ist der Regelfall. Wenn ich schuldhaft jemanden einen Schaden, zufüge muss ich zahlen.
b) Gefährdungshaftung ist stellenweise vom Gesetzgeber (z.B. StrassenverkehrsGesetz) vorgesehen und dazu gedacht GESCHÃDIGTE zu schützen.
Der Gedanke ist, dass jemand der etwas macht, was FÃR ANDERE gefährlich ist, auch OHNE eigenes VERSCHULDEN haften muss.
Der Klassiker ist das Kind welches plötzlich auf die Strasse läuft. Obwohl den Autofahrer keine Schuld trifft, haftet er (aus seiner Haftpflicht heraus).
II Verschulden gegen sich selbst
Es liegt im Pflichtkreis des Einzelnen eigene Schäden abzuwenden. Dazu gehört in erster Linie pflichtgemäßes verhalten. Wenn z.B. ein Fußgänger bei Rot über die Ampel geht, muss er sich ein Verschulden gegen sich selbst anrechnen lassen. Er bekommt nicht alles von der gegnerischen Haftpflicht ersetzt.
III Kombination aus >Verschulden gegen sich selbst< und >Betriebsgefahr<
Die Rechtsprechung verbindet die BETRIEBSGEFAHR aus BILLIGKEITSGRÃNDEN (ja, so etwas gibt es im Rechtsstaat) GEGEN den GESCHÃDIGTEN. Kurz: >Du machst etwas gefährliches (Motorrad fahren), also bist Du selber schuld, wenn dir jemand einen Schaden zufügt.<
IV Kritik:
Diese Rechtsprechung unterläuft die Gesetzgebung:
Bereits das Wort >Verschulden< ist problematisch. Aus einer Betriebsgefahr kann man keine Schuld ableiten. Also auch kein Verschulden. Betriebsgefahr ist unabhängig von jeder Schuld. Eine Verschuldensunabhängigkeit ist Sinn der Betriebsgefahr.
Der Gedanke bei der Betriebsgefahr ist, dass jeder auch ohne Schuld sehr schnell hohe Schäden verursachen kann. Man denke an die Schulklasse in die ein Auto hinein fährt. Deswegen gibt es die Haftpflicht.
Für Fahrradfahrer wird keine Betriebsgefahr angenommen. Sie haften nach den normalen Regeln. Diese Haftung unterläuft das Urteil. Das ist keinesfalls billig. In dem Prozess ging es um SCHÃDEN die dem Motorradfahrer durch den SCHULDHAFTEN Fahrradfahrer entstanden sind. Hierfür springt die Haftpflicht des Motorradfahrers eben nicht ein. Dem Fahrradfahrer ist es aber freigestellt eine PRIVATHAFTPFLICHT abzuschliessen. Wenn der Fahrradfahrer versehentlich ein Haus in Brand gesetzt hätte, müsste er auch haften.
Hätte der Fahrradfahrer nicht schuldhaft gehandelt, wäre der Motorradfahrer nicht gestürzt. PUNKT.
V Vollständigkeitshalber:
Vorliegend hat das Gericht dem Motorradfahrer ein Mitverschulden dran gehängt, nach dem Motto: >Du musstest damit rechnen, dass sich Fahrradfahrer nicht pflichtgemäß verhalten.<
Das wird bei Kindern regelmäßig zu bejahen sein. Ansonsten gilt der Vertrauensgrundsatz: Ich darf damit rechnen, dass bei Rot an der Ampel die anderen stehen bleiben.
VI Konsequenzen
Logischerweise muss die Rechtsprechung das Ganze auch auf den Vorsatz ausweiten. Wenn dann jemand Öl auf die Strasse ausgießt, ist der Motorradfahrer selber Schuld. Im Auto wäre ihm nichts passiert. Gut er hätte die Schulklasse mitgenommen, aber kein >Verschulden gegen sich selbst<
Als nächstes wird Frauen eine Betriebsgefahr auferlegt. Werden sie vergewaltigt und der Rock war zu kurz -genau!- :
>Verschulden gegen sich selbst<.
Mit vielen Grüssen
Matthias
zum Glück gibt es noch zwei Instanzen. Leider ist diese Rechtsprechung nicht neu. Aber ein so krasser Fall ist mir noch nicht bekannt gewesen.
Ich versuche als Laie das Urteil zu erklären:
I Es gibt eine Verschuldens- und eine Gefährdungshaftung (auch Betriebsgefahr genannt)
a) Verschuldenshaftung ist der Regelfall. Wenn ich schuldhaft jemanden einen Schaden, zufüge muss ich zahlen.
b) Gefährdungshaftung ist stellenweise vom Gesetzgeber (z.B. StrassenverkehrsGesetz) vorgesehen und dazu gedacht GESCHÃDIGTE zu schützen.
Der Gedanke ist, dass jemand der etwas macht, was FÃR ANDERE gefährlich ist, auch OHNE eigenes VERSCHULDEN haften muss.
Der Klassiker ist das Kind welches plötzlich auf die Strasse läuft. Obwohl den Autofahrer keine Schuld trifft, haftet er (aus seiner Haftpflicht heraus).
II Verschulden gegen sich selbst
Es liegt im Pflichtkreis des Einzelnen eigene Schäden abzuwenden. Dazu gehört in erster Linie pflichtgemäßes verhalten. Wenn z.B. ein Fußgänger bei Rot über die Ampel geht, muss er sich ein Verschulden gegen sich selbst anrechnen lassen. Er bekommt nicht alles von der gegnerischen Haftpflicht ersetzt.
III Kombination aus >Verschulden gegen sich selbst< und >Betriebsgefahr<
Die Rechtsprechung verbindet die BETRIEBSGEFAHR aus BILLIGKEITSGRÃNDEN (ja, so etwas gibt es im Rechtsstaat) GEGEN den GESCHÃDIGTEN. Kurz: >Du machst etwas gefährliches (Motorrad fahren), also bist Du selber schuld, wenn dir jemand einen Schaden zufügt.<
IV Kritik:
Diese Rechtsprechung unterläuft die Gesetzgebung:
Bereits das Wort >Verschulden< ist problematisch. Aus einer Betriebsgefahr kann man keine Schuld ableiten. Also auch kein Verschulden. Betriebsgefahr ist unabhängig von jeder Schuld. Eine Verschuldensunabhängigkeit ist Sinn der Betriebsgefahr.
Der Gedanke bei der Betriebsgefahr ist, dass jeder auch ohne Schuld sehr schnell hohe Schäden verursachen kann. Man denke an die Schulklasse in die ein Auto hinein fährt. Deswegen gibt es die Haftpflicht.
Für Fahrradfahrer wird keine Betriebsgefahr angenommen. Sie haften nach den normalen Regeln. Diese Haftung unterläuft das Urteil. Das ist keinesfalls billig. In dem Prozess ging es um SCHÃDEN die dem Motorradfahrer durch den SCHULDHAFTEN Fahrradfahrer entstanden sind. Hierfür springt die Haftpflicht des Motorradfahrers eben nicht ein. Dem Fahrradfahrer ist es aber freigestellt eine PRIVATHAFTPFLICHT abzuschliessen. Wenn der Fahrradfahrer versehentlich ein Haus in Brand gesetzt hätte, müsste er auch haften.
Hätte der Fahrradfahrer nicht schuldhaft gehandelt, wäre der Motorradfahrer nicht gestürzt. PUNKT.
V Vollständigkeitshalber:
Vorliegend hat das Gericht dem Motorradfahrer ein Mitverschulden dran gehängt, nach dem Motto: >Du musstest damit rechnen, dass sich Fahrradfahrer nicht pflichtgemäß verhalten.<
Das wird bei Kindern regelmäßig zu bejahen sein. Ansonsten gilt der Vertrauensgrundsatz: Ich darf damit rechnen, dass bei Rot an der Ampel die anderen stehen bleiben.
VI Konsequenzen
Logischerweise muss die Rechtsprechung das Ganze auch auf den Vorsatz ausweiten. Wenn dann jemand Öl auf die Strasse ausgießt, ist der Motorradfahrer selber Schuld. Im Auto wäre ihm nichts passiert. Gut er hätte die Schulklasse mitgenommen, aber kein >Verschulden gegen sich selbst<
Als nächstes wird Frauen eine Betriebsgefahr auferlegt. Werden sie vergewaltigt und der Rock war zu kurz -genau!- :
>Verschulden gegen sich selbst<.
Mit vielen Grüssen
Matthias